maxon Story

Intelligente, schwebende Arme

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Sie bewegen sich wie Schlangen und erreichen Stellen, die zu eng oder zu gefährlich für Menschen sind. Die robusten Roboterarme des Tokioter Unternehmens HiBot bringen die Inspektion, Wartung und Instandhaltung auf eine neues Level.

Bei der Konstruktion von Industrieanlagen, Gebäuden oder Brücken wurde früher die Instandhaltung kaum berücksichtigt. Infolgedessen ist sie bei gealterten Objekten schwierig und kostspielig. Doch mithilfe moderner MRO-Roboter (Maintenance, Repair and Overhaul) können Schäden heute zu angemessenen Kosten entdeckt, geprüft oder vorhergesehen werden. Dies ermöglicht eine längere Nutzung wichtiger Infrastruktur und verhindert Ausfälle sowie Unfälle. Michele Guarnieri, CEO des Robotikunternehmens HiBot, erklärt: «Im Kern geht es darum, Leben zu retten, die aufgrund von fehlgelaufener Wartung gefährdet sind.» Wie die Geschichte des Unternehmens zeigt, spielt auch die Sicherheit bei der Inspektion selbst eine grosse Rolle.

Einsatz in Fukushima


In Zusammenarbeit mit Professor Hirose vom Tokyo Institute of Technology, aus dem HiBot ursprünglich als Spin-out hervorging, entwickelte das Unternehmen einen Long-Reach-Arm mit mehreren Gliedern, der 2016 bei der Stilllegung des Kernkraftwerks in Fukushima Daiichi zum Einsatz kam. Zwei Wochen lang zeichnete der mobile Roboter Videos auf und sammelte 3D-Daten im Innern des Reaktorgebäudes, das durch eine Wasserstoffexplosion nach dem Tsunami von 2011 zerstört wurde. Die Spezialist:innen steuerten die Inspektion der Anlage aus der Ferne, indem sie High-Level-Befehle in Echtzeit aussendeten. Die gewonnenen Daten bestachen durch einen hohen Detailgrad und erleichterten die Planung und Steuerung der nachfolgenden Trümmerbeseitigung.


Aufgrund der radioaktiven Kontaminierung war es nicht möglich, Personal für diese wichtig Aufgabe einzusetzen. Die Tatsache, dass sogar die Antriebe und die Elektronik vor der Strahlung abgeschirmt werden mussten – weshalb sie auch am Fuss des Roboterarms untergebracht wurden – zeigt deutlich, wie hoch die Strahlungswerte waren.

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Mehrschichtige Inspektion


Basierend auf der Fukushima-Applikation, entwickelte HiBot dann den schlanken und leichten Float Arm. Im Vergleich zu herkömmlichen, eher wuchtigeren Manipulatoren kann er sehr leicht auf unterschiedlichen Plattformen oder Kränen aufgebaut und auch bei engen Platzverhältnissen betrieben werden. Mit einer Länge von bis zu 7,5 Metern ähnelt sein ausgeklügeltes Design den Sehnen einer menschlichen Hand. Zudem verfügt der Roboterarm über ein einzigartiges Konzept zur Gewichtskompensation, für das bereits mehrere Patente angemeldet wurden.


Die Basisversion ist mit einer Inspektionskamera mit leistungsstarker Zoomfunktion, einer Ultraschallsonde, einem 3D-Sensor und Navigationskameras entlang des Körpers ausgestattet. Je nach Anwendung werden diese durch Infrarotkameras oder einfache Wartungswerkzeuge ersetzt. Damit kann der Float Arm auch andere inspektionsrelevante Aufgaben übernehmen: von der Reinigung oder Beschichtung von Kraftstofftanks über die Ultraschallprüfung von hoch liegenden Rohrleitungen bis hin zur visuellen Inspektion von Druckbehältern.


Die mittels mehrerer Sensoren gewonnen Daten unterstützen die Navigation – die auch halbautonom erfolgen kann – sowie die Erstellung von 3D-Modellen der geprüften Objekte. Dadurch laufen im Voraus geplante Inspektionen sicherer und schneller ab.

Bis zum amphibischen Roboter


Insbesondere in der Luftfahrt ist Schnelligkeit ein wichtiges Kriterium. Michele Guarnieri sagt: «Wir entwickeln gerade einen speziellen Float Arm für die Inspektion von Flugzeugen. Ob nun im Rumpf, in den Treibstofftanks der Flügel oder an anderen, engen Stellen, der Inspektionsarm stellt eine kostengünstige Alternative zu herkömmlichen, zeitaufwändigen Prüfvorrichtungen dar.»


Die Nachfrage nach effizienten und verlässlichen Inspektionsgeräten ist auch in anderen Branchen hoch. Nach Schätzungen des CEO hat der Markt für zerstörungsfreie Prüfungen und Inspektionen ab 2024 ein Volumen von 12.6 Milliarden US-Dollar pro Jahr. HiBot entwickelt derzeit z. B. auch amphibische Roboter für widrige Umgebungen, wie geflutete Rohre oder Siederohre. Das Team, das mittlerweile aus mehr als 30 Mitarbeitenden besteht, experimentiert auch mit einem sehr dünnen Kriechinspektor. Der Inspektionsroboter «Squid» wurde beispielsweise für den Einsatz in Rohren mit einem Durchmesser von 50 Millimetern in der chemischen Industrie entworfen.

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HiBot also designed a specific Float Arm for aircraft inspection.

Datenanalyse mit künstlicher Intelligenz


Da ein modernes Werkzeug für die aktuellen MRO-Anforderungen noch lange nicht ausreicht, kombiniert eine intelligente Plattform die Feldroboter mit intelligenten Dienstleistungen. HiBox ermöglicht Anwendern, die Visualisierung, Analyse und Verarbeitung der Inspektionsdaten unter Verwendung maschinellen Lernens, damit Mängel und Fehler autonom erkannt werden können. Das virtuelle Tool reicht jedoch über den reinen Softwareaspekt hinaus und bietet eine nahtlose Integration mit der Hardware. Dadurch erlauben Funktionen wie die autonome Navigation, die Roboterzustandsüberwachung und weitere Services den Anwendenden, die Roboter in vollem Umfang zu nutzen. HiBox hilft dabei, den Überblick über bereits inspizierte Bereiche zu behalten und vergleicht die aus den unterschiedlichen Inspektionsprozessen gewonnenen Daten. Dies ermöglicht nicht nur die vorausschauende Instandhaltung der Infrastruktur, sondern auch die zustandsorientierte Überwachung der Roboter.


Das schlüsselfertige System aus einer Hand sorgt für einen schnelleren Ablauf bei MRO-Arbeiten und die Erstellung von Prüfberichten optimiert diese Qualitäten zusätzlich. Michele Guarnieri fügt hinzu: «Durch die Integration von immer mehr intelligenten Tools entwickelt sich das HiBox-Modell Schritt für Schritt weiter.» Zudem lanciert der Tokioter Robotikspezialist bald ein Geschäftsmodell für Robot-as-a-Service, das auch einen weltweiten Support in Echtzeit beinhalten wird.

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Float Arm - inspection of infrastructures simultaneously with visual and ultrasonic sensors

Positionierung von bis zu 16 Achsen


Beim Einsatz hochentwickelter Technologien wie der Steuerung von schlangenartigen Robotern, SLAM oder der Sensordatenfusion verlässt sich HiBot ausschliesslich auf maxon Antriebe. Hiroshi Ito, Projektingenieur bei maxon Japan, erinnert sich: «Während jahrelanger Tests hat sich das HiBot-Team von der Präzision, der Zuverlässigkeit und der breiten Produktpalette der maxon Antriebe überzeugt. Um eine angemessene Reichweite und Mobilität zu garantieren, sollten die Antriebe – wie der Float Arm selbst – leicht und kompakt sein und trotzdem ein relativ hohes Drehmoment liefern.» Je nach Länge besitzt ein Float Arm zwischen zehn und 16 Achsen, die von bürstenlosen Motoren des Typs EC 9.2 flat, EC 20 flat, EC 32 flat und EC 45 flat positioniert werden.


Eine der grössten Herausforderungen bestand darin, die Elektronik so in den Rahmen zu integrieren, dass sie sich nicht auf die Masse und das Gleichgewicht auswirkte und der Float Arm ohne Einschränkungen betrieben werden kann. Sehr passend, obwohl sicher nicht so beabsichtigt, ist hier eine Äusserung des Schweizer Aphoristikers Walter Fürst: «Das Mögliche beginnt dort, wo dein Arm endet.» Und damit ist natürlich der Arm des oder der menschlichen Bedienenden gemeint.

Autor/in: Luca Meister

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