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Roboter-Potenziale ausschöpfen mit Antriebssystemen der nächsten Generation

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Ein zentraler Markt für die Aktuatoren von maxon ist die Robotik, die derzeit einen rasanten Wandel und ein starkes Wachstum erlebt. In diesem Artikel zeichnet Mario Mauerer, Business Development Manager Robotik, ein Bild davon, wie ein Aktuationssystem der nächsten Generation aussehen könnte. 

Natürlich können wir die Zukunft nicht vorhersagen, aber wir können einige Entwicklungstendenzen ableiten, um eine Vision zu entwerfen. Stellen Sie sich vor, dass autonome Roboter schon sehr bald nahezu alle Aspekte unseres Alltags durchdringen werden. Autonome Autos und Lieferroboter auf dem Gehweg sind erst der Anfang. Ihre Briefe und Pakete werden von Schwärmen von Robotern zugestellt und eingesammelt. Mit Exoskeletten ausgestattete Arbeiter werden gemeinsam mit vierbeinigen Robotern Infrastruktur errichten. Ein Roboter wird Ihr Hotelzimmer reinigen (einschließlich der Toilette!). Kita-Roboter unterhalten Kinder im Sandkasten (und entsorgen ihre Windeln). Äpfel werden automatisch geerntet. Ich bin überzeugt, dass diese Welt schneller Realität wird, als wir es uns heute vorstellen. 

Das Herz der Robotik: Aktuationssysteme

Ein Kernelement jedes Roboters sind seine Aktuationssysteme, die Drehmoment in kontrollierter Weise aufbringen, um Bewegung zu erzeugen. Robotikantriebe müssen hoch drehmomentdicht, tief integriert, zuverlässig und in der Produktion skalierbar sein. Werfen wir einen Blick auf einige Aspekte von Antriebssystemen der nächsten Generation, die diese Transformation ermöglichen. 

Sicherheit als Grundvoraussetzung

Sicherheit wird von zentraler Bedeutung sein. Millionen autonomer Roboter werden sich künftig Räume mit (weichen und verletzlichen) Menschen teilen. Das bedeutet, dass ihre Antriebe grundsätzlich sicherheitsrelevante Funktionen bieten müssen. „Safe Torque Off“, also das sichere Abschalten von Aktuatoren, ist nur der Anfang und ein erster, einfacher Ansatz. Irgendwann wird es notwendig sein, Drehmoment und Bewegung aktiv sicher bereitzustellen – eine völlig neue Dimension an Komplexität. Derzeit befinden sich die Technologien dafür noch in frühen Entwicklungsstadien. 

Mario Mauerer, Business Development Manager Robotics

«Austauschbare Komponenten nach dem Legobausteinprinzip werden nicht mehr möglich sein. Systemgrenzen verschwimmen und werden zunehmend voneinander abhängig..»

Integration: vom Legobausteinprinzip zu nahtlosen Systemen

Antriebe werden eine immer tiefere Integration von Teilsystemen erfordern, um alle notwendigen Funktionen auf begrenztem Raum zu vereinen. Austauschbare Komponenten nach dem Legobausteinprinzip werden nicht mehr möglich sein. Systemgrenzen verschwimmen und werden zunehmend voneinander abhängig. Aktuatoren werden zu tragenden Strukturelementen, und niemand wird sich mehr mit Kabeln beschäftigen wollen (oder können); Kommunikation und Energieübertragung müssen kombiniert werden. Dieser Integrationstrend wird – wie immer – durch neue Materialien und Fertigungsmethoden vorangetrieben. 

Ein Aspekt, der diese tiefe Integration bereits heute beschleunigt, sind fortschrittliche Systemsimulationen. Solche Tools ermöglichen eine tiefe Systemoptimierung und -validierung. Wir wollen sicherstellen, dass ein Robotikentwickler einen Roboter bauen kann, der einfach funktioniert – weil Sensoren, Aktuatoren und Steuerungssysteme zuvor ausreichend simuliert wurden. Neue Roboter zu entwickeln, wird damit wirklich einfach. 

Rechenleistung und Intelligenz am Gelenk

Der nächste Paradigmenwechsel betrifft die Rechenleistung. Ein offensichtlicher Treiber ist das maschinelle Lernen. Fortschrittliche Modelle und Algorithmen werden direkt auf den Aktuatoren ausgeführt und herkömmliche, schleifenbasierte und kaskadierte Regelungsarchitekturen ablösen – dank ihrer Fähigkeit, mit komplexeren und vielfältigeren Daten umzugehen.  

Dies könnte auch bedeuten, dass Aktuatoren künftig wesentlich mehr Sensoren wie IMUs oder Mikrofone integrieren, um prädiktive Wartung oder ausfallsicheres Verhalten direkt auf Gelenkebene zu ermöglichen. Solche Sensoren unterstützen auch adaptives Lernen, bei dem Systeme von sich aus auf sich ändernde Bedingungen wie Verschleiß oder Defekte reagieren – nicht durch vorprogrammierte Verhaltensweisen, sondern durch ein intrinsisches Verständnis ihrer Architektur, Schnittstellen und Aufgaben.

Ein weiterer Aspekt ist die räumliche Verteilung der Rechenleistung. Ich gehe davon aus, dass die Rechensysteme eines Roboters stärker zentralisiert werden und alle Sensordaten an einem Ort verarbeitet werden. Eine gegenteilige Sichtweise besagt, dass Rechenkapazität eher dezentral über den gesamten Roboter verteilt sein wird – einschließlich der Aktuatoren. Welche Architektur sich durchsetzen wird (wenn überhaupt eine), bleibt abzuwarten.   

Unabhängig davon werden sämtliche Daten, die durch Aktuationssysteme erzeugt werden, gesammelt und entweder lokal direkt für die Steuerung genutzt oder für die präventive Wartung einzelner Roboter oder ganzer Flotten. Künftige Fortschritte in der (drahtlosen) Konnektivität werden den Transfer riesiger Datenmengen ermöglichen – und möglicherweise sogar die Echtzeitsteuerung von Robotern aus der Cloud. 

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Nachhaltigkeit und Lebenszyklusdenken

Ein weiterer, zunehmend wichtiger Aspekt komplexerer Antriebssysteme sind Lebenszyklusüberlegungen. Aktuatoren müssen nicht nur nachhaltig produziert werden, sondern auch bei hoher Effizienz mit minimalem oder ganz ohne Wartungsaufwand arbeiten. Flotten von Millionen Robotern, von denen viele batteriebetrieben sind, müssen ein hohes Maß an Zuverlässigkeit aufweisen und nur minimale Wartung erfordern – um ihre Verbreitung weiter zu beschleunigen und die Gesamtkosten für den Betrieb zu senken. 

Dies hat interessante Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle von Antriebsanbietern – worüber Sie, der Kürze halber, am besten eine Diskussion mit Ihrem bevorzugten Large Language Model führen. 

Humanoide und mehr: komplexe Systeme, einfache Aktuatoren 

Humanoide Roboter sind derzeit ein besonders heißes Thema. In den letzten zwei bis drei Jahren ist das Feld mit neuen Systemen zahlreicher Hersteller und Forschungseinrichtungen regelrecht explodiert. Für mich ist ein Humanoid lediglich eine bestimmte Ausdrucksform eines autonomen mobilen Roboters, der Manipulation oder Interaktion leisten kann. Die eigentliche Komplexität liegt nicht in der äußeren Form, sondern in der ganzheitlichen Beherrschung eines so komplexen Systems. 

Solche Roboter – egal ob humanoid, vierbeinig oder in einer anderen Form (z. B. balancierend auf einer Kugel) – nutzen modernste Sensoren, fortgeschrittene Regelungsverfahren und komplexe Hardware. Dazu gehören auch die scheinbar „einfachen“ Aktuatoren, die die banale Aufgabe des „Drehens“ übernehmen – in Wirklichkeit sind sie hochkomplexe Enabler, die eng mit Software und Steuerungssystemen des Roboters integriert sind. 

Zuverlässigkeit und Funktionsfähigkeit solcher autonomen Systeme sind noch weitgehend unbewiesen, und Themen wie mobile Manipulation stellen weiterhin ungelöste Forschungsfragen dar. Erste kommerzielle Einsätze entstehen langsam, z. B. in der Logistik oder in stark kontrollierten Umgebungen. Es wird noch dauern, bis solche Systeme – ob humanoid, zentauren- oder vierbeinig – breit in wirklich unstrukturierten Umgebungen (z. B. für die Postzustellung) eingesetzt werden. 

Fest steht: Aktuatoren und Hardware müssen schon heute auf minimale Komplexität reduziert werden – also geringe Kosten und hohe Zuverlässigkeit erreichen. Andernfalls wird das massive Wachstum und eine wirtschaftlich sinnvolle Anwendung nicht möglich sein. 

Eine beginnende Roboterrevolution

Ich bin überzeugt, dass wir uns in den frühen Phasen einer weitreichenden Roboterrevolution befinden. Antriebssysteme der nächsten Generation werden diese tiefgreifende gesellschaftliche Transformation immer mehr ermöglichen. Wir bei maxon freuen uns, dieses spannende Kapitel aktiv mitzugestalten. 

Autor/in: Mario Maurerer

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