maxon Story
Modifizierte Standardmotoren für den Weltraum


Eine Kombination aus Standardindustriemotoren und kreativer Zusammenarbeit führt mittels Anpassungen zu fortschrittlicherer Technologie und ermöglicht so hochpräzise, langlebige Motoren, die bis zum Mars und darüber hinaus gelangen.
Gegenüber Systemen, die für den Betrieb auf der Erde konstruiert wurden, ist die Marsumgebung rau und unnachgiebig. Die Marsatmosphäre ist in etwa 100 mal dünner als die der Erde, obwohl sie dick genug ist, um Wolken und Winde zu unterstützen. Zu bestimmten Jahreszeiten überziehen monatelang riesige, sogenannte Staubteufel den Planeten. Die Luftwirbel bestehen häufig aus oxidiertem Eisenstaub, der die Oberfläche des Mars bedeckt und auch einen permanenten Bestandteil der Marsatmosphäre bildet. Die Temperaturunterschiede auf dem Mars reichen von -125 °C nahe der Pole im Winter bis zu 20 °C nahe des Äquators zur Mittagszeit. All dies zeigt, wie schwierig es ist, sich an eine solche Umgebung anzupassen. Systemingenieur:innen greifen jedoch bei der Suche nach passenden Bauteilen immer erst auf Industriedesigns zurück.
Die Geschichte ist entscheidend
Seit der Erfindung des Teleskops im 17. Jahrhundert war der Mars ein Kuriosum. Selbst nachdem die Leistungsfähigkeit von Teleskopen zu schärferen Bildern führte, konnte man den Mars noch immer nicht deutlicher sehen. Der Wissensdurst in Bezug auf den Mars nahm weiter zu. Offensichtlich konnte man den Roten Planeten nur dann besser verstehen, wenn man auch hinreiste. 1964 führte die NASA den ersten Vorbeiflug durch, bei dem Mariner 4 Bilder der Kraterlandschaft des Planeten aufnahm. Diese erinnerte die Wissenschaftler eher an den Mond als an andere Planeten. Die Oberfläche zeigte auch Anzeichen vergangener, vulkanischer Aktivität, die enorme Schluchten hinterlassen hatte.
Diese Information machte den Mars nur noch interessanter und trieb die Forschung weiter voran, um auf dem Roten Planeten landen und seine Oberfläche sowie seine Umgebung näher erforschen zu können. In den 1970er Jahren landete das erste Raumfahrzeug von NASAs Jet Propulsion Laboratory (JPL) erfolgreich auf dem Mars. Auf der Suche nach Leben führte die Raumsonde Viking 1 Oberflächenanalysen durch und schoss über sechs Jahre hinweg hochauflösende Bilder. Zudem wertete sie mithilfe eines Roboterarms und eines speziell entwickelten Biologielabors Bodenproben aus und entdeckte vulkanische Erde, eine trockene Kohlendioxid-Atmosphäre sowie Belege für ehemalige Flussbetten und gewaltige Überschwemmungen auf dem kalten Planeten.
Nach zwei Jahrzehnten Pause war die NASA Mitte der 1990er Jahre bereit für den nächsten Schritt in der Erkundung des Mars und kehrte mit Rovern zurück auf den Roten Planeten. Für diese Reise suchte die NASA nach Standardindustriemotoren, die robust genug waren, um zum Mars zu fliegen. An diesem Punkt nimmt die Marsgeschichte von maxon offiziell ihren Anfang. Die NASA und JPL wussten bereits zu Beginn ihrer Suche, dass einige wenige, aber entscheidende Spezifikationen erfüllt werden mussten, damit die Motoren mit der Mission kompatibel wurden. Dem niedrigen Druck der Umgebung sowie den durch den Raketenstart, aber auch die harte Landung verursachten Schocks und Vibrationen standzuhalten, waren die grössten Herausforderungen für die Motoren. Zusätzliche Sorgen bereiteten auch die extremen Temperaturschwankungen, bei denen die Motoren weiterhin funktionieren mussten.
Erst 1997 landete dann der erste Rover erfolgreich auf dem Mars. Der Sojourner Pathfinder war mit zehn RE 16 DC-Motoren ausgestattet, um zu testen, ob das Konzept des modifizierten Standardprodukts funktionierte. maxon lieferte die hochwertigen, langlebigen Industriemotoren für die Expedition mit nur sehr wenigen Anpassungsänderungen. Im Januar 2004 landeten dann zwei Roboter-Geologen namens Spirit und Opportunity auf sich gegenüberliegenden Seiten des Mars. Sie waren mobiler als der Pathfinder-Rover und hatten die wissenschaftliche Erforschung als ihr Hauptziel. Jeder der beiden Rover war mit 35 maxon DC-Motoren des Typs RE 20 und einem RE 25 mit MR-Encoder ausgestattet.
Die Motoren waren in jedem Rover für eine Reihe von Applikationen verantwortlich, unter anderem für den Antrieb der Räder, das Öffnen der Solarpanels, das Aufstellen der Masten und vieles mehr. Nach 15 Jahren und einer zurückgelegten Strecke von 45 km endete Opportunitys Mission. Der Schwerpunkt lag auf der Wissenschaft. Der Rover sollte herausfinden, ob es auf dem Mars jemals Oberflächenwasser gegeben hatte. Ein aufschlussreiches Foto von Sedimentschichten belegte diese Annahme. Ende November 2018 landete InSight auf dem Mars. Sie war die erste Sonde, in der die neue Generation von bürstenbehafteten DCX-Motoren sowie maxons erstes Getriebe auf dem Mars zum Einsatz kamen.
Kollaborative und technologische Fortschritte
Aufgrund der Zusammenarbeit mit anderen Industriepartnern und Space Centern, wie der NASA/JPL, können die gewonnenen Erfahrungen sowie das erlangte Know-how zwischen allen Beteiligten ausgetauscht werden. Dies führt zur Weiterentwicklung der technologischen Leistungsfähigkeit in allen Bereichen und auf allen Ebenen. Das geteilte Fachwissen erleichtert nicht nur technologische Fortschritte, wenn es darum geht, Standardbauteile für einzigartige Anwendungen, wie beispielsweise Weltraumerkundungsmissionen, anzupassen. Vielmehr ermöglicht es den Herstellern auch, die gewonnen Daten einzusetzen, um ihre Standardindustrieprodukte weiterzuentwickeln. Jede weitere Mars-Rover-Mission erfordert noch grössere Flexibilität sowie ein Mehr an Fähigkeiten. Zusammenarbeit ist daher ein entscheidender Faktor.
In erfolgreichen Partnerschaften lernen die Teilnehmenden, was funktioniert und was nicht, was noch weiter optimiert werden kann, um eine bessere Leistung zu erzielen, und wie sich neue, erweiterte Forschungsmöglichkeiten finden lassen. MDA ist z. B. auf die Entwicklung kundenspezifischer Aktuatoren spezialisiert. Das Unternehmen integriert maxon Getriebe, Bremsen und Encoder in seinen ExoMars-Aktuator. Da während des gesamten Herstellungsprozesses eine sehr hohe Präzision erforderlich war, entwickelten MDA und maxon in Zusammenarbeit spezielle Zusammenbauverfahren, die ein Verzeichnis für jede Durchsteckschraube (insgesamt 4 000 Stück) und ihren Drehmomentwert im Innern der Einheit beinhalteten. Von den 70 produzierten Einheiten werden 12 tatsächlich an Bord sein, wenn die ExoMars-Mission 2022 startet.
Eine weitere, erfolgreiche Partnerschaft, die die Kapazitäten und Möglichkeiten für neue Systeme voranbrachte, entstand mit Flight Works. Das Unternehmen revolutionierte den Antrieb von Raumfahrzeugen durch den Einsatz von leicht angepassten Industrieelektromotoren und ermöglichte damit neue Missionen zum Mond, Mars und darüber hinaus. Flight Works ist führend bei Mikropumpen mit einer hohen Leistungsdichte für den gewerblichen Markt sowie in der Luft- und Raumfahrt (Unmanned Aerial Vehicles (UAVs) und Weltraumantriebe). Die Einheiten bestehen aus elektrisch angetriebenen Mikropumpen, die mithilfe von bürstenlosen maxon Industriemotoren eine sehr hohe Dichte erreichen. Die Motoren wurden an die Vibration und den Schock beim Raketenstart sowie an Weltraumumgebungen angepasst. Die Produkte des Unternehmens ermöglichten die drastische Zunahme an CubeSat-Starts, wie etwa der NASA/JPL Lunar-Flashlight-Mission.
Pumpengespeiste Antriebe erschliessen neue Weltraumoperationen. Unter Einbindung von maxon EC-Flachmotoren und 4-poligen EC-Industriemotoren entwickelt und produziert Flight Works seine 32-mm-Treibstoffpumpen, 22-mm-Hydrazinpumpen und LOX-/Methan-Kryopumpen. Aufgrund dieser Mikropumpen können pumpengespeiste Antriebssysteme in den unterschiedlichsten Missionen eingesetzt werden. Dies schliesst ebenso kleine Raumfahrzeuge ein, bei denen die Pumpen in einer Vielzahl von Applikationen angewandt werden können, z. B. für den Antrieb, das Flüssigkeitsmanagement und die Kühlung des Raumfahrzeugs. Auch die Wiederbetankung sowie Reparatur- und Wartungsarbeiten im Orbit sollen damit möglich werden und sind für zukünftige Rückholmissionen vom Mars geplant.
Eine weitere Anwendung über die angepasste Industriemotoren ihren Weg in den Weltraum gefunden haben, ist ein neues Andocksystem, International Berthing and Docking Mechanism (IBDM) genannt. Es wird beim Andocken zweier bemannter Raumfahrzeuge eingesetzt, z. B. beim Andocken des Dream Chaser an die Internationale Raumstation ISS. Auch private Raumfahrtunternehmen integrieren maxon Motoren in ihren Raumfahrzeugen, wie beispielsweise der SpaceX Cargo Dragon, in dem zehn bürstenlose DC-Motoren des Typs EC 40 verbaut sind, um die Solarpanels zu drehen, die Tür zum Navigationsraum zu öffnen und die Hakenvorrichtung zu verriegeln.
Technologie für gegenwärtige Missionen
Bei Konstruktionen, die über ihre Grenzen hinauswachsen müssen, um trotz des Betriebs in äusserst rauen Umgebungen eine noch höhere Präzision erreichen zu können – und das mit der Anforderung absoluter Ausfallsicherheit – ist die eingesetzte Technologie entscheidend. Modifizierte Standardprodukte und kundenspezifische Designs können geringe Veränderungen bedeuten, die aber zu enormen Unterschieden bei den Kapazitäten führen können.
Die NASA/JPL Mission Mars 2020 (Probenhandhabung und Zwischenlagerungssystem), die gerade auf dem Weg zum Mars ist, wird einen Rover ähnlich Curiosity, aber mit einem grösseren und robusteren Instrumentenpaket landen. Sein Ziel: Bodenproben sammeln und analysieren, die geeignetsten Proben auswählen und auf der Marsoberfläche deponieren. Ein weiterer Rover wird dann zu einem späteren Zeitpunkt entsandt, um die Proben einzusammeln und zur Erde zurückzubringen. Modifizierte, bürstenlose maxon DC-Motoren handhaben die wertvollen Marsproben, einschliesslich des Bohrkopfes, der die Bodenproben entnimmt. Die Probe wird dann in ein Karussell am Rover überführt und dort aufgenommen. Auch in dem kleinen Roboterarm, der die Probe zur visuellen Kontrolle, zur Versiegelung sowie zum Zwischenlager bewegt, sind maxon Motoren verbaut.
Wie auch schon bei früheren experimentellen Missionen beinhaltet auch die Nutzlast der Mission Mars 2020 etwas, das noch nie vorher ausprobiert wurde – den ersten Mars-Helikopter Ingenuity. Der kostengünstige Probelauf soll bestätigen, ob der Helikopter in der Marsatmosphäre betrieben werden kann und gehört damit in die Kategorie der bahnbrechenden Missionen. Ingenuity ist mit sechs bürstenbehafteten DC-Motoren des Typs DCX 10 S ausgestattet. Sie dienen als Aktuatoren der Taumelscheibe, steuern also die Neigung der Rotorblätter und somit auch die Flugrichtung von Ingenuity. Jeder der zwei Rotoren des Helikopters ist mit jeweils drei Motoren ausgerüstet – insgesamt kommen so sechs Motoren zum Einsatz. Diese kommen den Standardindustriemotoren sehr nahe und weisen nur interne Modifizierungen auf, um den Vibrationen und Schocks der Reise sowie dem Betrieb in der Niederdruckatmosphäre des Mars standzuhalten.
Während wir unser Sonnensystem über Jahre hinweg weiter erforschen, ist es von grossem Vorteil, dass Standardindustriekomponenten in Raumfahrzeugen, Rovern und analytischer Ausrüstung eingesetzt werden können, die uns unseren Erkundungszielen Stück für Stück näher bringen. Mit nur kleinen Anpassungen unterstützen wichtige Bauteile wie Motoren und Getriebe die Wissenschaftler:innen dabei, sich einen Weg in die Zukunft zu bahnen, um weitere Monde und Planeten zu erforschen. Die gewonnenen Erkenntnisse jeder einzelnen Mission sowie die Anwendung ähnlicher Konzepte in der Industrie haben in den vergangenen Jahrzehnten allgemein zu enormen Fortschritten beim Motordesign geführt. Die Technologie voranzutreiben, ist ein Gedankenprozess bei dem sich Designer:innen kontinuierlich fragen: «Wie können wir noch mehr erreichen?» Bei der Anpassung an neue Umgebungen, die einen höheren Grad an Fähigkeiten erfordern, können sich Unternehmen sicher sein, dass sie nicht nur konkurrenzfähig bleiben, sondern dass sich auch ihre Standardprodukte weiterentwickeln.