maxon Story
Filmreife Roboter


Sie kommen auf Bühnen, Rennstrecken oder Spielfeldern zum Einsatz, arbeiten autonom und sorgen für ein perfektes TV-Erlebnis. Wie intelligente Roboterkameras die Live-Übertragung automatisieren.
Mit einem gleichmässigen Schwenk folgt die Kamera der Eiskunstläuferin, zoomt sanft näher heran, während die Läuferin sich entfernt – und verlangsamt die Bewegung, als die Sportlerin die Richtung wechselt. Eine geübte Hand an der Kamera? Ja. Aber keine menschliche. Die Kamerabewegungen werden von einem intelligenten Robotersystem erzeugt.
Dahinter steckt die Technologie von Seervision, einem Spin-off der ETH Zürich, das lernfähige Systeme für die automatisierte Videoproduktion entwickelt. Herzstück des Systems ist die Bildanalyse-Software, die Menschen erkennt, klassifiziert und sicherstellt, dass die Kameras deren Bewegungen folgen. Bald schon soll der Algorithmus auch auf andere Subjekte erweitert werden.
Zusammenarbeit auf menschlichem Niveau
Die Software ist ziemlich raffiniert. Bei der sogenannten visuellen Positionserfassung (engl. Visual Position Tracking) werden im Bild für jedes Objekt mehrere Referenzpunkte gesetzt, durch die Bewegungsmuster entstehen, die kontinuierlich in die Steuerung eingespeist werden. Mit Hilfe dieser Bewegungsmuster wird der Bildausschnitt laufend dynamisch optimiert. Darüber hinaus sorgen verschiedene Bildgestaltungsmodule dafür, dass die Anforderungen an einen professionellen Bildaufbau erfüllt werden. Conrad von Grebel, Business Developer und Mitbegründer von Seervision, erklärt: «Unsere Software passt die Kamerabewegungen in Echtzeit an. Einzigartig ist dabei, dass unsere Kameras auf menschlichem Niveau arbeiten.» Die Produktionsleitung kann jedoch jederzeit eingreifen. «Wenn ich der Software den Befehl einer Nahaufnahme gebe, kann ich diese bei Bedarf manuell anpassen.» So entsteht eine perfekte Symbiose zwischen autonomem System und menschlicher Kunstfertigkeit. Die Technologie kann mit allen gängigen Kameras und einem Webbrowser eingesetzt werden.
Bei herkömmlichen Fernsehproduktionen reicht die Anzahl der eingesetzten Kameras von drei bis acht in einem TV-Studio bis hin zu über 50 bei einer Fussball-WM – das ist oftmals eine teure Angelegenheit. Doch Seervision ist nicht in erster Linie auf Kostenersparnisse aus. Das Unternehmen möchte Filmproduzent:innen ein Werkzeug an die Hand geben, das ihre Arbeit planbarer macht und die Qualität von Live-Übertragungen verbessert. Dadurch verschieben sich die Aufgabenbereiche: Aus Kameramann und Kamerafrau werden Multi-Kamera-Koordinator:innen, die für die Bildsprache und damit für den Stil der Übertragung verantwortlich sind. Zu den Vorteilen zählen nicht nur attraktivere und unmittelbar anpassbare Kameraeinstellungen und -bewegungen, auch menschliche Fehler werden auf ein Minimum reduziert.
Die Software lernt ständig dazu
Die vielfältigen Funktionen des Systems beruhen auf künstlicher Intelligenz. Für die Programmierung der Software analysieren die Expert:innen in Zürich laufend bestehendes Filmmaterial. Sie möchten das weltweit erste künstliche neuronale Netz für Videoproduktionen entwickeln – ein Konzept, das aus der Hirnforschung stammt. Die Software lernt dabei selbstständig aus den Daten vergangener Produktionen und optimiert so die Prozesse des visuellen Erkennens und Verstehens sowie die Bestimmung des Bildausschnitts und die Bewegungen der Kameras. Künftig soll die künstliche Intelligenz sogar den automatisierten Schnitt erlauben.
Die Kameraroboter von Seervision sind mit den bürstenlosen Flachmotoren EC 45 flat und kompakten EPOS4-Positioniersteuerungen von maxon ausgerüstet, die die Kamera geräuschlos mit einer Genauigkeit von 0.0002 Grad bewegen. Zusätzliche Antriebe am Objektiv sorgen für optische Genauigkeit und die Schärfeneinstellung. Das Interessante: Aus der ursprünglichen Idee, eine Universitätsvorlesung automatisch filmisch festzuhalten, entstand ein Technologieunternehmen. Seervision ist seit 2016 Teil des maxon Young Engineers Program, gewann 2018 den Swiss Technology Award und ist für den diesjährigen Digital Economy Award nominiert.
Young Engineers Program
Mit dem Young Engineers Program (YEP) unterstützt maxon innovative Projekte durch vergünstigte Produkte und technische Beratung. Mehr erfahren und bewerben.