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Dual Loop Control: Das Aus fürs Getriebespiel

Ist es möglich, Lasten dynamisch zu positionieren, mit hoher Präzision und schwingungsfrei – und das trotz mechanischem Spiel und elastischen Bauteilen? Ja – doch man braucht ein intelligentes System.

Wenn Lasten mit einem Elektroantrieb bewegt werden, kommt in der Regel ein System zum Einsatz, das einen Encoder auf der Motorwelle nutzt, um die Positions- und Geschwindigkeitsinformationen für die Regelung zu liefern. Eine hohe Encoderauflösung und eine präzise Erkennung der Motorwellenreaktion sind dabei unabdingbar für eine dynamische Positionsregelung. Aus Sicht der Anwendung ist jedoch im Endeffekt die Präzision der abtriebsseitigen Lastbewegung der ausschlaggebende Faktor für die Qualität und Masshaltigkeit der produzierten Waren. Getriebe, Spindeln und Antriebsriemen können sich hier negativ auswirken. Je nach Bewegungsrichtung kann das Getriebespiel eine unterschiedliche Lastposition auf der Abtriebsseite nach sich ziehen. Elastizität kann zu Verzögerungen und Schwingungen führen wenn die Bewegung einsetzt oder stoppt. Eine erste Lösung, die einem hier in den Sinn kommt, ist vielleicht, den Encoder anstatt an der Motorwelle an der Abgangswelle zu montieren. Doch dies kann sogar eine Verschlechterung der Anlagenleistung bewirken.


Stattdessen muss bei einem spielbehafteten oder elastischen Mechanismus ein System für die dynamische und präzise Lastpositionierung zum Einsatz kommen, bei dem die Regelung auf zwei Encodersystemen basiert:

  • Ein Rotationsencoder (der Hilfsencoder) ist starr mit der Motorwelle verbunden. Dieser sollte von Anfang an Teil der Motorkombination sein.
  • Ein weiterer Encoder (der Hauptencoder) wird mit der bewegten Last auf der Abtriebseite verbunden.

    Dual Loop_ Abb1

    Abbildung 1 Die Dual-Loop-Architektur besteht aus drei integrierten Rückführkreisen.

Damit die Signale von diesen beiden Encodersystemen verarbeitet werden können, wird eine Dual Loop Control (Zweikreisregelung) benötigt. Die EPOS4 Positioniersteuerungen von maxon ergänzen diese Dual Loop Control mit einem Filter zweiter Ordnung und einem Gain Scheduler, um so der mechanischen Resonanz und dem Getriebespiel entgegenzuwirken. Die Inbetriebnahmesoftware für EPOS Studio enthält ein Regler-Tuning-Tool, das die Parameter für die komplexe Regelungsstruktur automatisch bestimmt. Ausserdem stellt sie die Übertragungsfunktion des Antriebs graphisch dar.

Regelungsarchitektur


EPOS4 setzt für die Dual Loop Control eine kaskadierte Regelungsstruktur ein (siehe Abbildung 1):

  • Der innerste Regelkreis regelt den Motorstrom über eine feldorientierte Regelung (Field-Oriented Control, FOC) auf Basis des gemessenen Motorstroms als Feedbacksignal.
  • Der mittlere Regelkreis (Hilfsregelung) regelt die Motordrehzahl auf Basis des Encoders an der Motorwelle.
  • Der äusserste Regelkreis (Hauptregelung) regelt die Position der Last auf Basis des Encodersystems an der Last.


Eine detailliertere Ansicht der Struktur der EPOS4 Dual Loop Control ist in Abbildung 2 zu sehen.

Dual Loop Abb2

Abbildung 2 Detaillierte Darstellung aller Komponenten der Dual Loop Control

Hauptregelkreis


Der Hauptregelkreis besteht aus einem proportionalen (P) Regler, einem Gain Scheduler und einem Filter der zweiten Ordnung (der Hauptregelkreis-Filter). Ein Bahnplaner liefert die Sollposition der Last und die Sollgeschwindigkeit und -beschleunigung als Eingangsvariablen für den Hauptregelkreis. Eine weitere Eingangsvariable ist die aktuelle Position der Last, wie sie vom Encoder an der Last gemessen wird.

  • Gain Scheduler


Die EPOS4 Dual Loop Control verwendet den Gain Scheduler, um die negativen Auswirkungen des Getriebespiels zu beheben. Dabei passt der Gain Scheduler die P-Verstärkung des Hauptregelkreises automatisch an. Wenn der Schleppfehler – die Abweichung der IST-Lastposition von der SOLL-Position – zu gross ist, wird eine hohe P-Verstärkung angewendet und der Fehler so schnell reduziert. Mit kleiner werdendem Schleppfehler wird auch die P-Verstärkung reduziert, sodass trotz Getriebespiel kein Schwingen im Antrieb auftritt.

  • Hauptregelkreis-Filter


Entsteht aufgrund von Kupplungen, Riemen oder langen Spindeln eine gewisse Elastizität zwischen Motor und Last, könnten Resonanzfrequenzen die Schwingungen noch verstärken, sogar so sehr, dass die Regelung instabil wird. Um dies zu verhindern, verwendet die EPOS4 Dual Loop Control einen Filter zweiter Ordnung vom Typ Kerbfilter. Dieser unterdrückt den Resonanzfrequenzbereich im Ausgangssignal des Hauptregelkreises und verhindert so harmonische Schwingungen im Antriebsstrang.
 

Hilfsregelkreis


Der Hilfsregelkreis besteht aus einem proportional-integralen (PI) Regler mit Vorsteuerung (Feed Forward, FF) und einem Beobachter, der die Motordrehzahl aus den Positionsdaten des Motorencoders und den Stromstärkemessungen im Motor abschätzt.

Autotuning-Verfahren


Für eine einfachere Inbetriebnahme stellt die EPOS Studio Software von maxon einen integrierten Autotuning-Wizard zur Verfügung, mit dem Sie die Parameter der Dual Loop Control bestimmen und validieren können. Das Autotuning-Verfahren besteht aus zwei vollautomatischen Experimenten.

Dual Loop Abb3

Abbildung 3 Beispiel einer über EPOS4 identifizierten Übertragungsfunktion mit Resonanz.

  • Im ersten Experiment werden Schwingungen in der Motorwelle ausgelöst. Mit diesen wird das Trägheitsmoment, die Drehmomentkonstante und die Reibung im Motor bestimmt. Die Parameter für Hilfsregelkreis und Beobachter werden dann auf Basis der festgestellten Daten berechnet.
  • Im zweiten Experiment werden die Parameter für den Hauptregelkreis einschliesslich des Kerbfilters berechnet. Zur Anregung der Regelstrecke wird ein PRBS-Signal (Pseudo-Random Binary Sequence) verwendet. Basierend auf den resultierenden Eingangs-/Ausgangsdaten wird die Übertragungsfunktion ermittelt und als Bode-Diagramm dargestellt (siehe Abbildung 3).


Das Bode-Diagramm kann exportiert werden und hilft Regelungstechniker:innen bei der Systemanalyse, bei der Optimierung des mechanischen Aufbaus und bei der manuellen Anpassung der Regelung an spezifische Anwendungen.

Einkreisregelung und Zweikreisregelung im Vergleich


Die folgenden Diagramme zeigen die Unterschiede in der Referenzreaktion und im Schleppfehler für ein System mit Getriebespiel (Abbildung 4) und ein System mit elastischer Kupplung (Abbildung 5). Die Diagramme vergleichen eine Single Loop Control mit einem Encoder an der Last und eine automatisch abgestimmte Dual Loop Control mit jeweils einem Encoder an der Motorwelle und der Last.

Dual Loop Abb4

Abbildung 4 Lastpositionsprofil eines Systems mit Getriebespiel: Referenzreaktion (oben) und Schleppfehler (unten).

Dual Loop Abb5

Abbildung 5 Lastpositionsprofil eines Systems mit Elastizität: Referenzreaktion (oben) und Schleppfehler (unten).



Dual Loop Control ist eine Möglichkeit, Antriebssysteme präziser und effizienter zu gestalten. maxon bietet nicht nur alle notwendigen Bauteile, sondern auch viel Erfahrung in der Beratung – von der ersten Idee über die Systemauslegung bis hin zur Serienreife.
Autor/in: Juergen Wagenbach

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