maxon Story
Das Hightech-Baby, das Leben rettet
Langsam hebt und senkt sich die Brust des kleinen Körpers, die Venen und Adern schimmern unter der dünnen Haut hervor. Der Herzschlag ist regelmässig. Ein echtes Baby? Nicht ganz.
Paul atmet selbstständig. 35 cm lang. 1 000 Gramm leicht. Ein Frühchen, geboren in der 27. Schwangerschaftswoche. Sein Vater heisst Jens-Christian Schwindt, langjähriger Kinderarzt an der Neonatologie des AKH Wien. 2015 hat er seinen Oberarztposten gekündigt, um sich ganz um Paul zu kümmern. Paul benötigt künstliche Beatmung. Manchmal läuft er sogar blau an. Aber vor allem braucht er Investoren.
Denn Paul ist kein echtes Baby – er ist der kleinste und modernste High-End-Patientensimulator weltweit. Mit ihm lassen sich verschiedene Notfallsituationen in der Frühgeborenenmedizin trainieren, die täglich in Spitälern vorkommen. Denn nur durch regelmässiges Training im Team lassen sich laut Schwindt die Überlebenswahrscheinlichkeit und die spätere Lebensqualität von Frühgeborenen stark verbessern. Wichtig ist ihm vor allem der interdisziplinäre Ansatz. «Es ist völlig sinnlos, nur Pflegefachkräfte oder fachärztliches Personal zu schulen, denn das Team muss im Notfall ja als eine Einheit funktionieren», sagt Schwindt, CEO von SIMCharacters.
Paul weckt Emotionen
«Für das Training mit Frühgeborenen gab es nichts auf dem Markt, was unseren Ansprüchen als medizinische Fachkräfte genügte», sagt Schwindt, der selbst jahrelang Trainings durchgeführt hat. Es fehlte am realitätsnahen Äusseren und an moderner Technik. Paul ist in dem Bezug perfekt – er weckt Emotionen, womit ein sehr realistisches Szenario entsteht und der Trainingserfolg beim medizinischen Personal höher ist.
Leise Motoren
Paul verfügt neben der äusseren lebensechten Anatomie über ein technisch hochentwickeltes Innenleben. Er ist vollgepackt mit Technik. Im Schädel ist ein Linux-System verbaut. Geladen wird das Frühgeborenen-Trainingsmodell kabellos per Induktion über ein herkömmliches Ladepad. Paul hat eine Betriebsdauer von bis zu zwei Stunden. Der Kleine kann richtig schreien und quengeln. Und wenn die Atmung schwer wird oder die Sauerstoffsättigung sinkt, dann läuft der Kopf blau an.
Ausgeklügelte Hard- und Software verpackt in eine Silikonhaut. Alles entsteht bei SIMCharacters in Wien vor Ort. DC-Motoren, Getriebe und Sensoren von maxon motor sorgen dafür, dass sich Bauch und Brustkorb je nach den programmierten Testszenarien bewegen. «Klein, stromsparend, effizient sollten die Antriebssysteme sein, und wirklich wichtig war für uns, dass sie leise laufen und über eine sehr lange Laufzeit verfügen», sagt Michael Haller, Head of Research & Development bei SIMCharacters.
Zum Einsatz kommen drei DCX 12 Motoren mit Getriebe und Sensoren – zwei für den Brustkorb und einer für den Bauch von Paul. Ein weiterer DCX 6 maxon Motor bewegt ein Ventil in der Lunge des Simulators. In der Summe wurden bislang rund 40 Motoren verbaut, die alle einwandfrei funktionieren, erklärt Haller.
Kein Einzelkind
2010 kam Schwindt die Idee, einen Babysimulator zu entwickeln, zwei Jahre später gründete er das Unternehmen SIMCharacters. Das Start-up erhielt umfangreiche Förderung vom österreichischen Staat, mit der es überhaupt erst möglich war, einen Prototyp zu bauen. Ein Vorarlberger Investor war begeistert vom Produkt und verhalf Paul zur Serienreife.
Inzwischen sind schon einige «Pauls» verkauft. Die Nachfrage ist weltweit sehr hoch. Ein Trainingssimulator kostet 50 000 Euro. «Eine Investition, die sich lohnt», erklärt Schwindt. «Kritische Situationen in der Frühgeborenenmedizin müssen immer wieder so realitätsnah wie möglich trainiert werden, damit es im Ernstfall dann auch genauso gut funktioniert.» Paul bleibt übrigens kein Einzelkind. Er wird in den kommenden Jahren noch weitere Geschwister bekommen.
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SIMCharacters