maxon Story
So baut man ein Exoskelett.


Ein Exoskelett muss leicht sein, kompakt, leistungsstark, zuverlässig und einfach zu handhaben – nichts einfacher als das? Viele Entwickler:innen weltweit versuchen sich in dieser Disziplin, mit mehr oder weniger grossem Erfolg. Christian Bermes, Teamleiter von VariLeg enhanced erklärt, worauf es ankommt.
Mechanik
«Es ist eine grosse technische Herausforderung, den menschlichen Gang mit mechatronischen Systemen nachzuahmen. Die Struktur, die den Menschen trägt, muss möglichst leicht und trotzdem robust sein. Denn jedes zusätzliche Kilogramm hat Auswirkungen auf die Antriebssysteme. Häufig werden deshalb Leichtbaumaterialien wie Carbon eingesetzt. Wichtig ist auch, dass das Exoskelett nicht zu breit sein darf, schliesslich soll der Pilot oder die Pilotin damit problemlos durch jede Türe laufen können.»
Antriebe
«Die Antriebssysteme aus Motor und Getriebe müssen ein hohes Drehmoment liefern. Gerade beim Treppengehen wirken riesige Kräfte. Gleichzeitig ist eine hohe Dynamik gefordert, da die Motoren wegen der Gehbewegung laufend die Drehrichtung ändern müssen. Nicht zuletzt ist eine kompakte Bauweise gewünscht, die möglichst wenig Platz einnimmt.»
Benutzeroberfläche
«Der Pilot bzw. die Pilotin benötigt die volle Kontrolle über die Fortbewegung. Die Ansteuerung für die Bewegung muss also gut erreichbar und intuitiv gestaltet sein. Zusätzlich braucht es eine individuell angepasste Schnittstelle zu den Beinen und dem Rumpf des Piloten oder der Pilotin, die einerseits die grossen Kräfte zuverlässig überträgt und andererseits die empfindliche Haut schützt.»
Pilot:in und Erfahrung
«Dies ist der wohl wichtigste Punkt. Wie gut ein Exoskelett in der Praxis funktioniert, hängt in erster Linie von dem Piloten oder der Pilotin ab. Er oder sie muss sich an die robotische Hilfe gewöhnen und lernen, wie man sie am effizientesten einsetzt. Es gibt Personen, die setzen vor allem auf Kraft, andere eher auf Technik. So oder so braucht es sehr viel Training.»
Anzahl der Freiheitsgrade
«Wie viele Freiheitsgrade dürfen es sein? Keine einfache Frage. Oft entscheiden sich Konstrukteurinnen und Konstrukteure von Exoskeletten für zwei Freiheitsgrade pro Bein, bewegen also nur die Hüfte und das Knie. Die Vorteile: weniger Gewicht, eine einfachere Ansteuerung und damit weniger Fehlerquellen. Möglich sind aber auch drei oder vier Freiheitsgrade. Das bedeutet zum Beispiel eine seitliche (laterale) Bewegung oder die zusätzliche Aktuierung des Fussgelenks. Der Pilot bzw. die Pilotin erhält dadurch zusätzliche Bewegungsfreiheit und eine erhöhte Stabilität auf unebenem Grund. Das ganze System wird dadurch allerdings komplexer und schwerer. Zudem verkürzt sich die Batterielaufzeit.»
Software
«Auf den ersten Blick scheint die Ansteuerung weniger Freiheitsgrade einfach. Im Detail gestaltet sich die Umsetzung aber um einiges komplexer. Denn es müssen viele unterschiedliche Bewegungen gesteuert und Unfälle durch Sicherheitsfeatures verhindert werden. Zudem soll sich das ganze Exoskelett gemeinsam mit dem Piloten oder der Pilotin weiterentwickeln. Das kann nur mit einer tragfähigen Softwarearchitektur erreicht werden.»
Christian Bermes ist Teamleiter bei VariLeg enhanced und Professor für Automation und Mechatronik an der Hochschule für Technik Rapperswil.
Neues VariLeg Exoskelett mit doppelt so starken Motoren
Das Team VariLeg enhanced entwickelt und baut ein Exoskelett für den Cybathlon 2020. Mit dem VariLeg-Team der ETH Zürich, das 2016 teilgenommen hat, hat das jetzige Projekt allerdings wenig zu tun. Das aktuelle Exoskelett wurde als Studierendenprojekt neu entwickelt. Jetzt arbeitet ein gemischtes Team der ETH Zürich und der Hochschule für Technik Rapperswil daran, das Robotiksystem fertigzustellen. Dieses hat zwei Freiheitsgrade. Auf beiden Seiten befinden sich zwei bürstenlose Flachmotoren von maxon, die Hüfte und Knie bewegen. Diese liefern bis zu 600 Watt.
Otto Ineichen, Business Development Medical bei maxon: «Antriebe für Exoskelette müssen vor allem leicht sein. Und auch eine geringe Bauhöhe ist wichtig. Gleichzeitig sind aber auch eine hohe Leistungsdichte sowie Dynamik gefragt, da die Motoren häufig und sehr schnell die Drehrichtung ändern müssen. Bei maxon entwickeln wir derzeit eine neue Produktplattform von Motoren, die speziell auf die Bedürfnisse des Robotikmarkts ausgelegt sind. Diese neuen Antriebe basieren auf dem Konzept EC-i frameless. Sie können dann je nach Anwendung und Anforderung mit passenden Getrieben kombiniert werden.»