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Sensorlose Ansteuerung von bürstenlosen Motoren.

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Viele Applikationen würden von einem bürstenlosen Motor ohne Sensoren profitieren. Tatsächlich gibt es hier verschiedene Möglichkeiten zur Umsetzung. Eine von maxon entwickelte Methode setzt nun neue Massstäbe bezüglich Präzision und Ausfallsicherheit.

Um einen bürstenlosen Motor anzutreiben, erfordert es eine Steuerelektronik für die präzise Kommutierung. Das funktioniert aber nur, wenn die Steuerelektronik stets «weiss», in welcher Position sich der Rotor befindet. Normalerweise liefern im Motor verbaute Sensoren – beispielsweise Hall-Sensoren – diese Informationen. Doch es geht auch anders. Sensorlose Ansteuerungsverfahren verwenden Strom- und Spannungsinformationen aus dem Motor, um die Rotorposition zu bestimmen. Aus der Veränderung der Rotorposition kann die Motordrehzahl hergeleitet werden, die zur zusätzlichen Drehzahlregelung verwendet werden kann. Höherentwickelte, sensorlose Ansteuerungen können sogar den Strom (Drehmoment) und die Position regeln. Der Wegfall der Sensoren bietet eine Reihe von Vorteilen: niedrigere Kosten und Platzersparnis. Denn Kabel, Anschlüsse, aber auch empfindliche elektronische Schaltkreise werden überflüssig.

Die sensorlosen Steuerungen von maxon bauen auf drei Grundprinzipien auf, die speziell auf die maxon BLDC-Motoren abgestimmt sind.

Prinzip 1: EMK-Methode mit Nulldurchgang

Die EMK-Methode mit Bestimmung des Nulldurchgangs nutzt die induzierte Spannung (oder EMK) in der nichtbestromten Phase bei Blockkommutierung. Der Nulldurchgang findet in der Mitte des Kommutierungsintervalls statt (Abbildung 1). Aus den vorhergehenden Kommutierungsschritten kann die Zeitverzögerung zum nächsten Kommutierungspunkt abgeschätzt werden.

Die EMK-Methode mit Nulldurchgang funktioniert nur bei genügend hoher Drehzahl – im Stillstand verschwindet die EMK. Um den Motor zu starten, wird ein spezieller Anlaufprozess ähnlich einer Schrittmotorsteuerung benötigt, der separat eingestellt werden muss. Die eigentliche sensorlose Kommutierung ist erst ab Motordrehzahlen von 500 – 1 000 Umdrehungen pro Minute möglich. Zur Drehzahlregelung wird die Frequenz der Kommutierungsschritte verwendet. Die Dynamik ist aufgrund der beschränkten Feedbackinformation limitiert, kann aber durch Integration von Schätzmethoden im Regelalgorithmus (Beobachter, Kalman-Filter, etc.) verbessert werden. Die EMK-Methode mit Nulldurchgang hat aber auch Vorteile. Grundsätzlich funktioniert sie mit allen bürstenlosen Motorbauarten, ist robust und kosteneffektiv. Die Methode wird in vielen Standardprodukten verwendet, wie zum Beispiel im maxon ESCON Module 50/4 EC-S.

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Abbildung 1: Schematische Darstellung der sensorlosen Kommutierung der EMK-Methode mit Nulldurchgang, hier am Beispiel der Phase 3 gezeigt.

Prinzip 2: Beobachter-basierte EMK-Methode

Beobachter- oder modellbasierte EMK-Methoden verwenden Informationen aus dem Motorstrom, um die Rotorposition und die Drehzahl herzuleiten. Der modellbasierte Ansatz ergibt eine viel höhere Auflösung der Rotorposition. Damit ist die Sinuskommutierung (oder Field-Oriented Control (FOC, feldorientierte Regelung)) mit all ihren Vorteilen möglich: höherer Wirkungsgrad, kleinere Erwärmung, weniger Vibrationen und Geräusche. Allerdings benötigt auch die Beobachter-basierte EMK-Methode eine Mindestdrehzahl von einigen hundert Umdrehungen pro Minute, um gut zu funktionieren.

Prinzip 3: Magnetische Anisotropie-Methoden

Die auf der magnetischen Anisotropie basierenden Methoden leiten die Rotorposition aus der Motorinduktivität her, die minimal ist, wenn die magnetischen Flüsse von Stator und Rotor im Rückschluss parallel sind (Abbildung 2). Dazu werden kurze Strompulse verwendet, die aber keine Motorbewegung verursachen. Verglichen mit den EMK-basierten Verfahren, funktioniert diese Methode auch im Stillstand oder bei sehr tiefen Drehzahlen und erlaubt Sinuskommutierung. Die gemessenen Signale sind stark vom Motortyp abhängig. Der Bestimmung der Rotorposition liegt ein Motormodell zugrunde, das für jeden Motor parametriert und angepasst werden muss. Steuerungen auf Basis von magnetischer Anisotropie sind deshalb hochspezifische Produkte – «Plug-and-Play» ist in diesem Fall keine Option. Der erforderliche Rechenaufwand zur Evaluation der Rotorposition verringert die maximal möglichen Drehzahlen.

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Abbildung 2: Schematische Darstellung der Anisotropie der Induktivität. Sie zeigt zwei fast identische Minima im Abstand von 180 elektrischen Grad.

Warum eine sensorlose Ansteuerung?

In preissensitiven Applikationen kann die Verwendung von sensorlosen Motoren die Kosten senken. Hall-Sensoren, Encoder, Kabel und Anschlüsse fallen weg. Typische Applikationen in diesem Bereich sind Lüfter, Pumpen, Scanner, Fräser, Bohrer und andere hochdrehende Anwendungen mit eher tiefer Regelperformance, bei denen ein kontrollierter Anlauf nicht kritisch ist. Bei hoher Stückzahl ist eine kundenspezifische Anpassung der EMK-basierten Steuerung sinnvoll.

Kostenoptimierung bei hoher Regelleistung

Die Kostenersparnis ist nicht der einzige Grund, sich für eine sensorlose Ansteuerung zu entscheiden. Applikationen wie Tür- oder Bike-Antriebe benötigen eine hohe Regelqualität. Eine ruckfreie Motoransteuerung ab Drehzahl null ist wichtig, aber auch eine hohe Dynamik und Sinuskommutierung zur Geräuschvermeidung. Dies alles soll ohne die Verwendung eines teuren Encoders umgesetzt werden. In den letzten Jahren haben sich dazu hochwertige sensorlose Steuerungen, basierend auf der Anisotropie-Methode, etabliert, zum Beispiel die neue High-Performance-Sensorless-Control-Steuerung von maxon (HPSC, siehe unten). Der Konstruktionsaufwand zur Anpassung der Modellparameter rechtfertigt sich allerdings erst ab Stückzahlen von einigen hundert.

Raue Umgebungsbedingungen

Eine sensorlose Ansteuerung kann auch in Situationen nötig sein, in denen eine empfindliche Sensorelektronik beim Motor vermieden werden muss. Dazu gehören Applikationen bei sehr hohen oder tiefen Umgebungstemperaturen, Reinigungs- und Sterilisationsmethoden im medizinischen Umfeld, aber auch ionisierende Strahlung im Weltraum, in Kernanlagen oder in der Medizin. Weil es weniger Motoranschlüsse gibt, eignet sich die Steuerung zudem für die Integration bei engen Platzverhältnissen.

Die benötigte Regelgüte ist je nach Applikation verschieden. Welche sensorlose Methode am besten geeignet ist, muss von Fall zu Fall entschieden werden. Zahnärztliche Handgeräte zum Bohren und Schleifen benötigen zum Beispiel eine hohe Drehzahl, während zum Fixieren von Schrauben in der Chirurgie eher niedrige Drehzahlen und geregelte Drehmomente erforderlich sind.

Fazit

Drei Hauptgründe sprechen für eine sensorlose Ansteuerung: Kostenersparnis, Platzersparnis und eine feindliche Umgebung für Sensoren. Die EMK-Methode mit Bestimmung des Nulldurchgangs ist in kostensensitiven Applikationen, die bei hohen Drehzahlen laufen, weit verbreitet. Sensorlose Ansteuerung ab Stillstand und bei niedrigen Drehzahlen verlangt nach höher entwickelten Methoden. Der Aufwand zur Implementierung ist grösser und schliesst die Modellbildung und Parametrisierung mit ein. Die Kostenersparnis ist eher zweitrangig. Die feldorientierte Regelung ergibt einen höheren Wirkungsgrad und weniger Erwärmung sowie ein tieferes Vibrations- und Geräuschniveau. Das sind alles Vorteile, die besonders in medizinischen Handgeräten zum Tragen kommen.

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Sensorlose Ansteuerungen von maxon

__Eine Neuentwicklung aus dem Hause maxon ist das HPSC Module 24/5 (High Performance Sensorless Control), eine Plattform aus Hardware und kundenspezifischer Software. HPSC ist immer eine massgeschneiderte Lösung und deshalb kein Katalogprodukt. Das Besondere an dieser Entwicklung: Im Stillstand und bei niedriger Drehzahl kommt erst eine Regeltechnik auf der Grundlage der magnetischen Anisotropie zum Einsatz (Prinzip 3). Dann, bei höherer Drehzahl, folgt ein sanfter Übergang zu einer Beobachter-basierten EMK-Methode (Prinzip 2). Die Firmware des Moduls wird für jedes Antriebssystem abgestimmt. Durch einen speziellen Feineinstellungsprozess werden über 120 Parameter automatisch an den «Fingerabdruck» jedes Motors angepasst. Ein Beispiel für den Einsatz von HPSC ist das von maxon neu entwickelte Hand-Tool für den Medizinbereich.

__Das ESCON Module 50/4 EC-S ist die einzige sensorlose Steuerung von maxon, die im Produktkatalog aufgeführt ist (Blockkommutierung mit EMK-Methode und Bestimmung des Nulldurchgangs). Als Alternative für die kleinsten EC-Motoren (bis ca. 10 mm Durchmesser) bietet sich die sensorlose Steuerung 24/1 an. Allerdings ist sie nicht im Katalog oder e-Shop aufgeführt.

Autor/in: Urs Kafader

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